Roelcke, Thorsten. 1995.

Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte. Analysen und Tabellen.

Berlin, New York: Walter de Gruyter. 494 S.

(Studia Linguistica Germanica, 40. Hrsg. von Stefan Sonderegger und Oskar Reichmann).
ISBN 3-11-015075-1 (gebunden). DM 220,-.


reviewed by

Nils Langer

Department of German Studies, University of Newcastle upon Tyne, NE1 7RU
E-mail: nils.langer@ncl.ac.uk

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Einleitung

"Die Geschichte der Erforschung der deutschen Sprachgeschichte ist auch eine Geschichte der Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte." (S. 1). Mit diesem Zitat eröffnet Roelcke seine Studie über die Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte, in der er die Komplexität und Vielfalt der verschiedenen, in den Sprachgeschichten des Deutschen benutzten und vielfach angefochtenen Kriterien aufzeigt. Auch nach über dreihundert Jahren deutscher Sprachgeschichtsschreibung (beginnend mit Schottel 1663) sind sich die Forscher keineswegs einig über Art und Anzahl der Kriterien, über die zeitliche Einteilung des Deutschen und über die Bezeichnung der verschiedenen Stufen: eine Uneinigkeit, die Roelcke als "ungeordnet" bezeichnet und die seines Erachtens aufgeräumt werden sollte. Zu diesem Zweck schlägt er in seiner Studie eine allgemeine Theorie der Sprachperiodisierung vor, die als Grundlage für zukünftige Periodisierungsversuche dienen kann, da sie es ermöglicht, den verschiedenen Faktoren eine angemessene Gewichtung zu geben. Roelcke verzichtet in seinem Buch auf einen eigenen konkreten Vorschlag zur Periodisierung des Deutschen und beschränkt sich vielmehr darauf, nach der Vorstellung seiner allgemeinen Theorie, alle wichtigen, bisher existierenden Vorschläge zur Periodisierung der deutschen Sprache deskriptiv nebeneinanderzustellen.


Einteilung

Das Buch ist dementsprechend grob in zwei Teile geteilt. Im ersten Teil führt Roelcke den Leser in das Thema ein (Einleitung, S. 1-3) und stellt seine eigene, allgemeine Theorie zur Periodisierung vor (Grundlagen, S. 5-40). Der zweite Teil besteht aus den im Titel erwähnten Analysen und Tabellen zu den bisher existierenden Periodisierungsvorschlägen des Deutschen. Hier gilt das Prinzip, dass jedes Kapitel einen längeren Textteil enthält, der die relevanten Zusammenhänge zum Thema aufbaut sowie in einer oder mehreren Tabellen schließt, die einen guten Überblick über das Diskutierte ermöglichen.

Zuerst wird erläutert, nach welchen Kriterien die behandelten Periodisierungsvorschläge ausgewählt wurden, gefolgt von einer Beschreibung dieser Vorschläge (Auswahl und Beschreibung, S. 41-138). Diese werden dann in den folgenden Kapiteln miteinander verglichen, mit den Schwerpunkten Zeitvergleich (S. 139-192), Bezeichnungsvergleich (S. 193-274) und letztlich - dies besonders ausführlich - Kriterienvergleich (S. 275-478). Im Schluß (S. 479-484) werden die Ergebnisse kurz zusammengefasst. Den Abschluss bildet das Literaturverzeichnis (Literatur, S. 485-494).


Einführung

Die Einteilung des Deutschen in bestimmte, historische Stufen oder Perioden ist und war Teil der deutschen Sprachgeschichtsschreibung schon seit Schottel 1663, Adelung 1782 und Petersen 1787 (man vergleiche allerdings frühe Gegenbeispiele, so z.B. Egenolff 1735). Die heute noch häufig gebrauchte Bezeichnung und Einteilung in Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch geht auf Grimm 1822 zurück, die Sprachstufe des Frühneuhochdeutschen wurde von W. Scherer 1890 vorgeschlagen und hat sich vor allem aufgrund der Arbeit von V. Moser (z.B. 1929) voll etabliert. Roelcke beschränkt sich in seinem Buch auf die Untersuchung derjenigen Sprachgeschichten, die als "wissenschaftlich bedeutsam" (S. 43) gelten, d.h. solche Vorschläge, "welche im Bereich der germanistischen Forschung oder im Bereich der germanistischen Lehre entweder als etabliert oder innovativ anzusehen sind" (S.43). Weiterhin gilt, dass nur Vorschläge zum Hochdeutschen berücksichtigt werden, und dann auch nur, wenn die gesamte Sprachgeschichte Beachtung findet. Diese Beschränkungen resultieren in einem Korpus von 43 Werken, die diachronisch eingeteilt sind in Vorläufer (3), Vorbilder (4), Nachfolger (2), sowie politisch-geographisch für die Zeit nach 1945: westliche Auslandsgermanistik (3), westliche Inlandsgermanistik (18), östliche Inlandsgermanistik (10) und östliche Auslandgermanistik (3). Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Anzahl der untersuchten Werke, und wobei hier auffällt, dass die westliche Germanistik mit 21 Werken vertreten ist, während die östliche Germanistik gerade 13 aufweist. Dies ist besonders bemerkenswert, da die 10 Werke der östlichen Inlandsgermanistik nur 3 Autoren repräsentieren (Bräuer, Schildt, Schmidt). Diese Disparität, welche allein durch die Einteilung der Autoren nach politisch-geographischer Herkunft auffällt, wird nicht von Roelcke nicht als solche thematisiert und es bleibt daher die Frage, ob es irgendwelche Gründe dafür gibt, dass im politischen Osten weitaus weniger Sprachgeschichten geschrieben wurden, als im politischen Westen.


Grundsätzliches

Eine der hauptsächlichsten Kontroversen in der Periodisierungsdiskussion betrifft den wissenschaftlichen Status von Sprachstufen. Hierbei geht es vor allem um die Frage, ob Abschnitte in der Geschichte einer Sprache überhaupt existieren oder ob solche Sprachstufen nur abstrakte Konstrukte sind, die von SprachwissenschaftlerInnen aus spezifischen Gründen vorgeschlagen werden, um z.B. eine bessere Orientierung in der Sprachgeschichte zu ermöglichen. Die beiden sich gegenüberstehenden Positionen werden exemplarisch repräsentiert von Joachim Schildt zum Einen, der die Ansicht vertritt, dass "Perioden [...] tatsächlich innerhalb des Wissenschaftsgegenstandes Sprache [existieren]" (Schildt 1982: 30) und Hugo Moser zum Anderen, der einen Realitätsanspruch von Sprachperioden zurückweist. Für ihn ist ein Sprachhistoriker "vor das Dilemma gestellt, in das panta rhei der Entwicklung nachträglich Einschnitte legen zu müssen, welche die lebendige geschichtliche Wirklichkeit nicht aufweist" (Moser 1951: 296) [meine Hervorhebung, NL]. Roelcke klammert sich für seine Zwecke aus dieser Diskussion weitgehend aus. Periodisierungen seien, aus verschieden Gründen, wie unten gezeigt wird, nützlich für die Germanistik; ob sie jedoch auch real existieren, müsse erst noch durch eine neue, systematischere und kohärentere Periodisierungsvorschlage gezeigt werden.

Ein zweiter Disput grundsätzlicher Natur betrifft die Art der Kriterien, die zu einer Bestimmung von Sprachperioden herangezogen werden sollten. Objartels (1980) leicht nachvollziehbare Definition einer Sprachperiode als eine Stufe ohne bedeutende sprachliche Veränderungen lässt außen vor, ob diese Veränderungen inner-, außer-, und / oder metasprachlicher Art sein können oder müssen. Je nach Entscheidung des jeweiligen Wissenschaftlers können sich so ganz verschiedene Periodisierungsvorschläge ergeben. Diese Gefahr des sprachperiodischen Durcheinanders findet sich in Roelckes Vergleich durchaus bestätigt, wobei die meisten Sprachgeschichten Kriterien aller drei Arten heranziehen, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung. Im Gegensatz dazu beziehen manche Forscher eine entschiedenere Position zugunsten einer Art von Kriterien, so z.B. Oskar Reichmann, der die These verteidigt, dass "Epochen und Raumgrenzen" abhängig von kulturellen (also außersprachlichen) Bedingungen zu sehen sind (Reichmann 1992:196), wohingegen die Priorität von innersprachlichen Kriterien durch Forscher wie z.B. Herbert Penzl attestiert wird, der seine Position so formuliert: "'Innere' Sprachveränderungen ergeben die überzeugendste Periodengrenze" (Penzl 1989:13).

Solch eindeutige Stellungnahmen sind jedoch selten. Roelcke zeigt anschaulich, dass bei den meisten Periodisierungsvorschlägen eine Vielzahl von Kriterien miteinbezogen werden, d.h. sowohl Inner- als auch Außersprachliches wird teils getrennt, teils gemischt zur Postulierung einer Sprachperiode angewandt. N.R. Wolf (1989) verteidigt diese Vorgehensweise, da die Unterscheidung zwischen Außer- und Innersprachlichem nur eine scheinbare sei. In Wirklichkeit könne man beides gar nicht trennen, da außersprachliche Erscheinungen zwar nicht direkt, aber doch indirekt mit Sprache verbunden seien und Sprache nur als Produkt ihrer Sprecher existiere, die Sprache zur Interaktion in einer Sprachgemeinschaft benützten. Deshalb müssten immer beide Arten von Kriterien für linguistische Beschreibungs- und Erklärungsversuche Beachtung finden. Weitere Nuancierungen dieser Diskussion finden sich in der Frage, ob gewissen Kriterien Priorität über andere, zulässige Kriterien eingeräumt werden sollte, so z.B. Herbert Wolfs Position, dass die "ersten und tragenden Gesichtspunkte einer Periodisierung des Dt. sprachimmanent sein [sollten] (Wolf, H 1984:821, meine Hervorhebung, NL). Weiter ist man sich uneins, wieviele Kriterien durch Sprachwandel betroffen sein müssen, um auch einen Sprachstufenwechsel rechtfertigen zu können. Joachim Schildts Formulierung, dass Perioden dort enden und beginnen, wo "Bündel von Veränderungen auf allen Ebenen des Sprachsystems identifiziert werden können" (Schildt 1980: 387) bringt das damit verbundene Problem mit sich, adäquat und ausreichend definieren zu können, was alle Ebenen des Sprachsystems sind. Ohne eine scharfe Definition hiervon gäbe es nach Schildts Formulierung niemals einen Sprachperiodenübergang, da man sich nie sicher sein könnte, ob auch alle Ebenen von Veränderung betroffen seien, erst recht, wenn Außersprachliches miteinbezogen werde.


Roelckes Theorie

In seiner eigenen, allgemeinen Theorie zur Sprachperiodisierung bleibt Roelcke den oben skizzierten Positionen gegenüber neutral. Auch bietet er keinen neuen Vorschlag zur Periodisierung der deutschen Sprache anhand seiner Theorie, da dies, so Roelcke, nicht "aus reinem Selbstzweck" geschehen sollte (S. 3). Im Gegenteil: Roelcke beschränkt sich auf die kritische Beschreibung der existierenden Vorschläge und zeigt diese in einem Licht, das deren Ungenauigkeit, Heterogenität, und Inkonsequenz mit Bezug auf die Nennung und Anwendung von wichtigen Definitionen unterstreicht. Hier gilt es anzumerken, dass Roelckes eigene Definitionen auch recht vage sind. Er definiert historische Sprachperioden als Stufen in der Geschichte einer Sprache, die sich von anderen Stufen derselben Sprache zeitlich und faktisch unterscheiden. Dies geschieht jedoch bewusst, da Roelcke seine Theorie möglichst allgemein halten will. Dabei sollte seine generellen Theorie dabei zuerst, so Roelcke, auf möglichst wenigen Kriterien, gleich welcher Art angewandt werden. Er weist also keinesfalls bestimmte Kriterien (z.B. Texttyp, Syntax usw.) oder Arten von Kriterien (außer- vs inner- vs metasprachlich) zurück, sondern formuliert seine Forderungen an eine Periodisierung einer Sprache in einer Reihe von Punkten: zum Ersten sollten Periodisierungen zwischen forschungsintendierten und lehrintendierten unterschieden werden (S. 468), wobei hier besonders wichtig ist, dass forschungsintendierte Periodisierungsvorschläge sich a priori von dem traditionellen bis heute domininierenden Modell nach Grimm 1822 und Scherer 1890 lösen müssen, nach dem das Deutsche in eine althochdeutsche (750-1050), mittelhochdeutsche (1050-1350), frühneuhochdeutsche (1350-1650) und neuhochdeutsche Periode (1650-heute) eingeteilt wird. Weiterhin sollten die Bezeichnungen von sprachhistorische Perioden immer eine temporale sowie eine qualitative Achse beeinhalten, wie z.B. in dem Begriff `Althochdeutsch' durchgeführt (alt = temporal, hoch = qualitativ). Zudem ist es für eine Periodisierung des Deutschen wichtig, zwischen Kriterien und Arten von Kriterien zu unterscheiden, diese zu definieren und sich dann konsequent an die Definitionen zu halten. Roelckes vielleicht wichtigste Forderung ist, dass man sich bei einer forschungsintendierten Periodisierung auf wenige Aspekte, am Besten nur ein einziges Kriterium konzentriere, zumindest solange bis die Forschung eine bessere, allgemeine Periodisierung der deutschen Sprache vorgenommen hat. Dies erscheint als überaus sinnvoll, nicht nur, weil nur so das bisherige Durcheinander aufgeräumt werden kann, sondern auch, weil sprachliche Veränderungen erst in Isolation beschrieben werden müssen, bevor Interdependenzen erahnt oder sogar bewiesen werden können.

Was die lehrintendierte Periodisierung von Sprachgeschichte angeht, nimmt Roelcke eine weitaus tolerantere Position gegenüber den gängigen Sprachgeschichten ein. Lehrintendierte Periodisierung gelte vor allem der ersten Orientierung in der Primär- und Sekundärliteratur und somit könne das bewährte Grimm-Scherer Modell weiterhin ruhig angewendet werden. Dasselbe gilt für das Identifizieren von Periodengrenzen durch Kriteriengruppen und nicht durch einzelne, isolierte Sprachveränderungen. Durch ein solches Vorgehen werde es dem Studierenden erleichtert, Periodengrenzen zu ermitteln, auch wenn diese in der neuesten Forschung (nach Roelckes eigener Theorie) möglicherweise nicht bestätigt werden. Problematisch wird dieses allerdings, wenn die Studierenden zu einem späteren Zeitpunkt ihr bisheriges Wissen vergessen müssen, um sich Roelckes Idee anzueignen, dass jede Periodisierung erst einmal nur für ein Kriterium gilt.


Analysen und Tabellen

Der zweite Teil des Buches gilt der tabellarischen und analytischen Beschreibung der ausgewählten Sprachgeschichten. Hierbei ist besonders erwähnenswert, dass sich das Buch als langlebiges Nachschlagewerk empfiehlt (und bei dem relativ hohen Preis von 220.- DM trägt dies auch zur Beruhigung des Käufers bei). Die nach verschiedenen Kriterien eingeteilten, alphabetisch geordneten Tabellen sich übersichtlich angelegt und beleuchten in klarer und leicht nachvollziehbarer Weise die im Text angesprochene Vielfalt und Komplexität. Jede Tabelle wird ausführlich eingeleitet, wobei es anzumerken gilt, dass die jeweiligen Einleitungen die Informationen aus den Tabellen in einer neuen, thematisch geordneten Weise präsentieren, jedoch nicht unbedingt durch weitere Informationen ergänzen. Auch ist zu sagen, dass in der Regel wenig statistische Informationen vermittelt werden, die man vielleicht durch verschiedene Grafiken einfach hätte ausdrücken können. Man mag streiten, ob die reine Deskriptivität des Analyseteils zu loben oder zu bemängeln ist. In jedem Fall sei es dem Rezensenten vergönnt, aufgrund der Kürze des zusammenfassenden und kritischen Teil am Schluss des Buches ein wenig enttäuscht zu sein.


Schluss

Dieses Buch zeigt deutlich, wie sehr viele der anerkannten sprachhistorischen Werke bewusst oder unbewusst voraussetzen, dass Sprachwandel in fast regelmäßigen Wellen vor sich geht. Sprachperioden werden häufig als tatsächlich belegbare Stufen des Deutschen dargestellt, die als Bündel und Häufungen von linguistischen Merkmalen definiert werden. Während dies für die Lehre durchaus akzeptabel ist (und man beachte auch, dass die Mehrheit der existierenden Sprachgeschichten sich in der Regel an Studierende richten), so scheinen die meisten, wenn nicht alle Werke für eine strikte, forschungsintendierte Periodisierung nicht anwendbar zu sein. In diesem Zusammenhang weist Roelcke auf eine bei näherer Betrachtung überraschende Beobachtung hin: obwohl die von ihm untersuchten Werke sich häufig fundamental darin unterscheiden, welche Kriterien sie für die Periodisierung akzeptieren und benutzen, ähneln sich die tatsächlich vorgeschlagenen Periodisierungen doch sehr ähnlich in Bezug auf ihre zeitliche Länge und Datierung. Es lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass auch bei den Vorschlägen, die sich aus den bisherigen Traditionen lösen wollten, die Vorbildfunktion des Grimm-Scherer Modells noch vorherrscht. Es scheint, dass häufig dort Periodengrenzen gesehen werden, wo schon andere eine Zäsur gesetzt haben, auch wenn diese von ganz anderen Kriterien ausgegangen sind. Selbstverständlich heißt dies nicht, dass diese vorgeschlagene Periodengrenze nicht existiert, aber ein Blick über die verschiedenen Sprachgeschichten zeigt, dass selbst konkrete innersprachliche Kriterien, wie z.B. der Wandel von X > Y, sich über Jahrhunderte, regional variierend, erstreckte, und sich nicht in kurzen, klar abgesteckten Abschnitten vollzog. Keine Sprachgeschichte behauptet, dass z.B. das Jahr 1350 ein bedeutendes Jahr in der Geschichte des Deutschen war, aber in vielen Sprachgeschichten wird gesagt, dass die Zeit um 1350 wichtig war, und es werden meistens Sprachveränderungen aus vielen verschiedenen Kriterien zur Unterstützung dafür angegeben. Ein kurzer Blick über diese Veränderungen zeigt jedoch sofort, dass manche erst am Anfang ihrer Veränderung, andere schon fast abgeschlossen waren. Wiederum andere waren regional, andere texttypisch verschieden ausgeprägt. Es zeigt sich, dass die Zeit um 1350 (als zufällig gewähltes Jahr) nur für einzelne Kriterien, nicht jedoch für Gruppen von Kriterien relevant war. Die angenommenen Interdependenzen zwischen der Entwicklung verschiedener Kriterien ist selbst für die vermeintlich einfachen Beispiele, wie z.B. die bekannte Sprachwandelreihe(vereinfacht dargestellt) -

a. Stressfixierung im Ahd. (Prosodie, Phonologie),
b. Verlust von nominaler Kasusmarkierung im Mhd. und Frnhd. (Morphologie),
c. Erstarrung der Satzgliederflexibilität im Satz im Nhd. (Syntax)
- nicht zwangsläufig bewiesen, wie Entwicklungen aus anderen Sprachen zeigen. Es verbleibt also, wie Roelcke vorschlägt, eine Periodisierung für die Entwicklung eines jeden Kriteriums einzeln aufstellen, bevor diese Einzelperiodisierungen dann gesammelt betrachtet, verglichen und möglicherweise gruppiert werden können. Nur so kann die Forschung ein akkurateres Bild über die Existenz von tatsächlich existierenden Sprachperioden gewinnen, auch wenn dies bedeutet, dass wir unser schätzen gelerntes 4-Perioden Modell von Grimm-Scherer aufgeben müssen.


Literatur

Adelung, J.C.1782. Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache zur Erläuterung der Deutschen Sprachlehre für Schulen. Bd. I. Leipzig: Breitkopf [nachgedruckt durch Olms, Hildesheim, 1971]

Egenolff, M.J.A. 1735. Historie der Teutschen Sprache. Erster Theil. Leipzig: Martini. [nachgedruckt durch Zentralantiquariat der DDR, Leipzig, 1978]

Grimm, J. 1822. Deutsche Grammatik. Erster Theil. Zweite Ausgabe. Göttingen: Dieterich.

Moser, Hugo. 1951. Probleme der Periodisierung des Deutschen. In: Germanisch- Romanische Monatsschrift 1. 296-308.

Objartel, G. 1980. Sprachstadium. In: Althaus, H.P., Henne. H. & H.E. Wiegand. Lexikon der Germanistischen Linguistik. 2nd Auflage. Tübingen: Niemeyer.

Penzl, H. 1989. Mittelhochdeutsch. Eine Einführung in die Dialekte. Frankfurt: Lang.

Petersen, W.1787. Welches sind die Veränderungen und Epochen der deutschen Hauptsprache [...] Eine preisgekrönte Preisschrift. In: Schriften der Kurfürstlichen deutschen Gesellschaft in Mannheim. Bd. 3. Mannheim. 4-250.

Polenz, P. von. 1991,1994. Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Bd I & II. Berlin: de Gruyter.

Reichmann, O. 1992. Periodisierung und Raumgliederung des Deutschen. In: Agel, V.& R. Hessky (Hrsg.). Offene Fragen - offene Antworten in der Sprachgermanistik. Tübingen: Niemeyer.

Scherer, W. 1890. Zur Geschichte der deutschen Sprache. Berlin: Weidmann.

Schildt, J. 1980. Zu einigen Problemen der Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 33. 386-394.

Schildt, J. 1982. Zum Verhältnis von Gesellschafts- und Sprachgeschichte. Periodisierungsprobleme. In: Schildt, J. (Hrsg.). Zur Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte. Prinzipien - Probleme - Aufgaben. Berlin: Akademie der Wissenschaften der DDR.

Schildt, J. 1991. Kurze Geschichte der deutschen Sprache. Berlin: Volk und Wissen.

Schottel, J.G. 1663. Ausführliche Arbeit von der Teutschen Haubtsprache [...]. Braunschweig: Zilliger. [nachgedruckt bei Niemeyer, Tübingen, 1967]

Wolf, H. 1984. Zur Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte. In: Besch, W., Reichmann, O. & S. Sonderegger (Hrsg.). Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Berlin: de Gruyter.

Wolf, N.R. 1989. Zur Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte. Eine Notiz. In: Heimann, S. (et al) (Hrsg.). Soziokulturelle Kontexte zur Sprach- und Literaturentwicklung. Festschrift für Rudolf Große zum 65. Geburtstag. Stuttgart: Heinz.


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