Das Frauenbild in der Werbung und Werbesprache: Attribuierungen zur potentiellen Konsumentin.

Anke H. Hübner

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3. Ergebnisse und Diskussion

3.1. Das Frauenbild in der Werbung

Wie aus obigen Tabellen hervorgeht, sind Frauen in insgesamt weniger als einem Drittel der Werbeanzeigen präsent (in 27,1 % der Werbeanzeigen beider "Stern" -Jahrgänge). Die Bild- und Textanalyse der 107 Werbeanzeigen (davon stammen 42 aus dem Jahre 1993) ergibt 20 Kategorien, d. h. 20 Frauentypen und Frauenrollen, die in diesem ersten Analyseteil nach der Häufigkeit ihres Erscheinens in den Werbetexten aufgelistet sind:

Tabelle 3

Kategorie Frauenbild 1953 + 1993 1953 davon analysiert 1993 davon analysiert
1 leidend 23 16 6 7 2
2 Sexobjekt 16 3 2 13 9
3 geschminkt 12 12 8 - -
4 eingecremt 11 7 6 4 2
5 Hausfrau 10 10 5 - -
6 berufstätig 10 6 6 4 4
7 schlank 9 7 3 2 2
8 (werdende) Mutter 9 7 4 2 2
9 wohlriechend 9 9 5 - -
10 Partygirl 9 9 7 - -
11 Partnerin 8 - - 8 3
12 bildungshungrig 7 - - 7 3
13 hygienisch rein 6 6 6 - -
14 aktiv 6 - - 6 4
15 emanzipiert 5 - - 5 5
16 romantisch 4 1 1 3 2
17 'haargepflegt' 4 3 3 1 1
18 'unterbekleidet ' 4 3 1 1 1
19 Ehefrau 4 4 2 - -
20 Rentnerin 2 - - 2 2

Die in Tabelle 3 angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Häufigkeit, mit der bestimmte Frauenbilder in Werbeanzeigen vorkommen. Diese Zahlen sind nicht identisch mit der Anzahl der Werbeanzeigen in den ersten fünf Heften der Zeitschrift "Stern" 1953 bzw. 1993. Im folgenden wird der Einfachheit halber von den Anzeigen bzw. Frauenbildern 1953 und1993 gesprochen, gemeint ist damit immer das Anzeigenmaterial aus den ersten fünf Heften eines jeden "Stern"-Jahrganges.

Einige Werbeanzeigen fallen in mehrere Kategorien, wie z. B. die Anzeige "Stern" 1953: 1, 18 für Libby's Milch (zu lesen: Zeitschrift "Stern", Jahrgang 1953, Heft 1, Seite 18). Hier zeigt das Catch-Visual eine Verkäuferin (Kategorie "berufstätige Frau") sowie eine Dame mit Kind beim Einkauf (Kategorie "Hausfrau" und Kategorie "Mutter"). In der kurzen Bodycopy finden sich keine Attribuierungen zur Frau. Diese Anzeige gehört zwar in drei Kategorien, wird aber nur in einer Kategorie analysiert, mit dem Verweis auf die Zugehörigkeit zu den beiden anderen Kategorien.

In der Werbeanzeige für den Khasana-Parfümstab (Stern 1953: 5, 33) wird die potentielle Benutzerin des Produktes als attraktive Frau im Ballkleid abgebildet (Kategorie "Partygirl") und in der Bodycopy beschrieben als ohne "jeden lästigen Körpergeruch" und sich umgebend "mit dem unvergänglichen Duft des Khasana-Parfums" (Kategorie "wohlriechende Frau"). Auch in diesem Fall zählt die Anzeige zu zwei Kategorien, wird aber nur einmal in der Kategorie "wohlriechende Frau" analysiert, in der anderen Kategorie erwähnt.

Einige wenige Werbeanzeigen erscheinen wiederholt in unveränderter Form. Das Institut für Lernsysteme GmbH wirbt beispielsweise in vier Heften (Stern 1993: 1, 96 und 3, 122 sowie 4, 144 und 5, 154) für Fernstudienkurse und fließt viermal in die Kategorie "bildungshungrige Frau" ein, wird aber nur einmal analysiert.

Werbeanzeigen, die wiederholt veröffentlicht sind, erscheinen manchmal mit identischem Catch-Visual aber leicht verändertem Werbetext (Stern 1953: 3, 28 und 1953: 5, 34. Produkt: Frauengold Arzneimittel) bzw. Text und Bild sind geringfügig verändert (Stern 1953: 3, 26 und 1953: 5, 20. Produkt: Amira-Tampons). In diesen Fällen wird jede gedruckte Anzeige in der relevanten Kategorie gezählt bzw. - falls ergiebig - auch analysiert. Dieser Anzeigentyp wird als eine 'vollwertige' Anzeige angesehen.

Wie aus Tabelle 3 ersichtlich ist, gibt es Frauenbilder, die überproportional häufig in dem einen oder dem anderen "Stern"-Jahrgang auftreten. So findet sich beispielsweise das Bild der Frau als Mutter sowie ihre Beschreibung als schlanke und leidende, weil menstruierende Frau relativ oft in der Werbung 1953. In der modernen Werbung ist die Darstellung der Frau als Sexobjekt vorherrschend.

Interessant sind alle Kategorien, die nur 1993 bzw. nur in den "Stern"-Ausgaben 1953 vorkommen. Im "Stern" 1953 fehlen explizite Darstellungen der potentiellen Konsumentin als Sexobjekt. Hier muß berücksichtigt werden, daß es sich bei dieser Kategorie um eine subjektive Interpretation von Werbebildern handeln kann. Auch zu den Kategorien "emanzipiert", "aktiv", "bildungshungrig" lassen sich 1953 keine Beispiele finden. Die Frau der Nachkriegszeit war beschäftigt mit Haushalt und Kindererziehung. Sie hatte weder Zeit noch Geld, um über Aktivurlaub oder Selbstfindungskurse nachzudenken. Private Lerninstitute im heutigen Sinne gab es damals nicht. Dies heißt aber nicht, daß die Frau in den Nachkriegsjahren ein freudloses Leben führte. In mehreren Werbeanzeigen, insbesondere für Parfüm, Seife, Deodorant und alkoholische Getränke, ist die Frau im festlichen Ballkleid beim Tanz abgebildet. Ende unseres Jahrhunderts haben Diskotheken den traditionellen Festball ersetzt. Geschminkte, wohlriechende, hygienisch reine Frauen sowie Ehe- und Hausfrauen kommen 1993 nicht vor. 'Nur-Hausfrau' zu sein, wird im Zeitalter der Gleichberechtigung als negativ angesehen, wohingegen Hausfrauen, Mütter und Ehefrauen ohne Karriere 1953 die Regel waren. Damals waren nur die Ehefrauen, deren Männer kein ausreichendes Gehalt heimbrachten, gezwungen, dazuzuverdienen. Bei den Frauenberufen, die 1953 dargestellt werden, handelt es sich um Berufe ohne akademische Qualifikation, wie Verkäuferin und Büroangestellte. Heutzutage treten Frauen emanzipiert, aktiv und bildungshungrig auf - Mutter und Hausfrau sein, ist Nebensache. Wird die Frau 1993 an der Seite eines Mannes gezeigt, dann ist ihre Position oft unklar und offen für Interpretation. Sie kann als Geliebte, Verlobte, Sekretärin, Geschäftspartnerin usw. gesehen werden, in einigen Fällen scheint sie bloße 'Dekoration' zum Mann zu sein. Würden Werbeagenturen die Frau explizit in einer festgelegten gesellschaftlichen Rolle abbilden, liefen sie Gefahr, mit ihrem Werbebild erstens nur einen kleinen Prozentsatz der weiblichen Bevölkerung anzusprechen, und zweitens bei einem anderen Prozentsatz der Bevölkerung Anstoß zu erregen. Der moderne Werbestil überläßt es deshalb der Phantasie der LeserInnen, das Frauenbild (hier unter der Kategorie "Die Frau als Partnerin" zusammengefaßt) zu deuten.

Neben der Frau als Partnerin ist heute auch die 'Singlefrau' Werbethema, sie ist unabhängig und sexy. Sex ist seit der sexuellen Revolution der 60er Jahre nicht nur in der Werbung ein aktuelles Thema. Hierdurch läßt sich die Freizügigkeit in den modernen Werbebildern und die Darstellung der Frau als Sexobjekt erklären. Zu beobachten ist seit Mitte der 90er Jahre eine Zunahme an Abbildungen nackter Männerkörper zu Werbezwecken - damit wäre die Gleichberechtigung von Mann und Frau wiederhergestellt. 1953 war Sex ein Tabuthema, weshalb sexistische Werbeanzeigen vor 40 Jahren nicht existierten. Die moderne Frau wird 1993 explizit als emanzipiert, implizit als berufstätig, doch nie als Karrierefrau dargestellt. Dies kann folgendermaßen interpretiert werden: Es wird als 'normal' angesehen, daß die moderne Frau einen Beruf hat, ihr eigenes Geld verdient - diese Tatsache muß nicht zum Thema gemacht werden. Emanzipierte Frauen sind finanziell unabhängig und haben die Wahl, ob und wie sie ihr Geld ausgeben. Die Wahlmöglichkeit, die Entscheidungsfreiheit stehen im Mittelpunkt der Werbebotschaft, z. B. die Entscheidung für ein Fortbildungsprogramm, eine Freizeitaktivität oder eine Krankenversicherung wird der Leserin nahegelegt - es handelt sich hier um Dienstleistungen. Vier Anzeigen aus dem Jahre 1993 werben für Dienstleistungen, bei allen anderen untersuchten Werbeanzeigen handelt es sich um Konsumgüterwerbung. Es darf davon ausgegangen werden, daß der Zweig der Dienstleistung, die 1993 angepriesen wird, in dieser Art und in diesem Umfang vor 40 Jahren nicht existierte. Dazu zählt die DAK-Werbung (= Deutsche Angestellten Krankenkasse, Stern 1993: 4, 52-53) in der Kategorie "Die (werdene) Mutter", eine Anzeige der britischen Zentrale für Tourismus (Stern 1993: 4, 70-71) in der Kategorie "romantische Frau" sowie die Werbeanzeigen der Fernakademie für Erwachsenenbildung GmbH (Stern 1993: 2, 95) und des Instituts für Lernsysteme GmbH (Stern 1993: 3, 122) in der Kategorie "bildungshungrige Frau".

Da die Lebenserwartung der Menschen Ende des 20. Jahrhunderts höher ist als jemals zuvor, und die ältere Generation heute über mehr Geld und Freizeit verfügt sowie durch die Massenmedien und die Gesundheitsreform über Gesundheitsvorsorge bestens informiert ist, ist es nicht erstaunlich, daß Rentnerinnen heute eine ideale Zielgruppe darstellen und somit eine Kategorie "Frau als Rentnerin" kreiert werden konnte. Die fiktionale Werbewelt ist ein Spiegel der realen Welt und vice versa. Guy Cook spricht (1992:221) von einer Dynamik in der Beziehung Realität und Werbe-Realität:

[...] fiction can influence the behaviour of real people, so the relation between the fictional and real worlds is dynamic, with each affecting the other. This is particularly true of commodities depicted in ads, for if advertising has any success at all, then presumably the kinds of commodity found in the real world reflect those found in advertising, and vice versa.


3.2. Die Werbesprache: Attribuierungen zur Frau 1953 und 1993

Explizite Attribuierungen zur potentiellen Konsumentin, die zum Beispiel häufig in der Konsumentenanrede erscheinen sowie implizite Attribuierungen zur Frau, die teilweise in Produktbeschreibungen zu finden sind, werden in diesem zweiten Analyseteil chronologisch untersucht. Auf Besonderheiten im werbespezifischen Wortschatz, auf Syntax und Layout etc. wird nur bedingt - nämlich wenn themenrelevant - eingegangen.

Nach jedem Textbeispiel erfolgt die Angabe des Textbausteins sowie eine vollständige Quellenangabe, wobei Stern 1953: 2, 23 bedeutet: Zeitschrift Stern, Jahrgang 1953, Heft 2, Seite 23.


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