Das Frauenbild in der Werbung und Werbesprache: Attribuierungen zur potentiellen Konsumentin.

Anke H. Hübner

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3.2.4. Die eingecremte Frau (Produkte: Hautcremes (1953 und 1993))

Von den sieben analysierten Werbeanzeigen für Hautcreme stammen vier aus dem Jahre 1953. Die Leserinnen werden 1953 direkt angesprochen und ihnen werden detaillierte Gebrauchsanleitungen gegeben. Ein weiterer Beweis dafür, daß Werbeanzeigen damals maßgeblich informativ waren. Als Folge der Medienüberflutung Ende der 90er Jahre ist kaum noch jemand bereit, längere Werbetexte zu lesen, weshalb diese Art der informativen Werbung heute selten ist und bald der Vergangenheit angehören wird. Eine Ausnahme stellen die längeren Werbetexte für kostspielige Anschaffungen wie Kraftfahrzeuge dar.

Befolgen Sie diesen einfachen Rat: Verteilen Sie jeden Abend die rosa Tokalon-Hautnahrung auf Gesicht und Hals, und lassen Sie den einzigartigen Wirkstoff "Biocel"- den nur Creme Tokalon enthält - über Nacht wirken. Auf die erfrischte, geglättete, spannkräftige Haut geben Sie dann morgens die weiße Tokalon-Tagescreme. [...] Beginnen Sie noch heute abend, Ihre Haut schönzupflegen. [...] [Bodycopy]
[Stern 1953: 4, 29. Produkt: Creme Tokalon]

Alt oder jung aussehen [Headline]
darüber entscheiden 5 Stellen Ihres Gesichtes [...]
Wenn Sie Creme Mouson in der abgebildeten Weise regelmäßig auftragen, dann beobachten Sie nach kurzer Zeit, wie sich die erschlaffte Haut wieder strafft, wie sich die Falten glätten und Ihr ganzes Aussehen jugendlicher wird. [...] [Bodycopy]
[Stern 1953: 2, 17. Produkt: Creme Mouson]

Anklänge an den Aufforderungsstil der 50er Jahre ("Befolgen Sie...", "Beginnen Sie...") finden sich in der "Antirides"-Werbung von 1993:

Nehmen Sie Falten nicht einfach hin. [Headline]
Je früher Sie unsere Fältchen-Creme anwenden, desto später brauchen Sie unsere Faltencreme. [Bodycopy]
[Stern 1993: 2, 57. Produkte: Antirides Faltencremes]

Im weiteren Textverlauf ist dann aber von "man" die Rede, d. h. auf Frauen als Zielgruppe wird nicht speziell eingegangen.

Auch 1953 wird in der Headline zunächst das geschlechtsneutrale "man" benutzt, in der Bodycopy werden jedoch explizit Frauen und Männer als Zielgruppe angesprochen. Beim genauen Lesen der Bodycopy erfährt der Leser/die Leserin, auf welche Teilgruppe der Damen und Herren sich der Text bezieht, nämlich auf sportliche und berufstätige Damen und Herren:

Man spricht von Nivea [Headline]
Wer..? Die jungen Damen, ebenso wie die Herren [...], daß Nivea-gepflegte Hände keinerlei Spuren von Sport oder Berufsarbeit aufweisen [...] [Bodycopy]
[Stern 1953: 5, 35. Produkt: Nivea Hautcreme]

In der Werbeanzeige für das Produkt "frei öl" werden 1993 ebenfalls beide Geschlechter angesprochen:

Immer neue High-Tech-Cremes versprechen Frauen und Männern längere Zeit ein attraktives Aussehen und den Touch ewiger Jugend. [...] [Bodycopy]
[Stern 1993: 4, 125. Produkt: frei öl]

Im weiteren Textverlauf wird dann aber nur noch zweimal von "Verwenderinnen" gesprochen und Elfi St. aus Freiburg und Dagmar L. aus Bonn sind "begeisterte Verwenderinnen", deren Aussagen für Qualität bürgen. Zitate zufriedener Verwenderinnen stehen auch 1953 als Garant für Qualität, allerdings wird damals Wert gelegt auf die Benutzung des Titels Frau, der heute in der Bundesrepublik für alle Frauen - ob verheiratet oder ledig - die Norm ist.

"Hier hatte ich Falten..." [Headline]
...sagt Frau Lilo Nimbach aus Duisburg, "und ich litt sehr darunter [...]" [Bodycopy]
[Stern 1953: 4, 29. Produkt: Creme Tokalon]

Im Wortschatz der Hautcreme-Werbeanzeigen finden sich 1953 und 1993 erwartungsgemäß viele Wortbildungen, denen die Morpheme Haut und Creme zugrundeliegen, insbesondere was die Nominalkomposita in den Bodycopies betrifft:

[...] Hauterneuerung [...] Hautverschönung [...] Tokalon-Hautnahrung
[Stern 1953: 4, 29. Produkt: Creme Tokalon]

[...] das Hautgewebe [...] Hautatmung [...] Hautzellen
[Stern 1953: 5, 19. Produkte: Kaloderma Cremes, Gesichtswasser und Seife]

Die einzige Hautpflege [...] [Bodycopy]
[Stern 1993: 3, 119. Produkt: Fette Mineral Haut-Creme]

Werbetexter wissen, daß die Verpackung der Ware - und dazu zählt auch die 'lexikalische Verpackung' - für die Imagepflege von Produkt und Konsumentin sehr wichtig ist. Frauen damals wie heute kaufen nicht nur eine Creme, sie kaufen jugendliche Haut und Schönheit. Was die Benennung und Beschreibung der Ware angeht, sind die Werbemacher besonders kreativ, wie die folgenden französischen und englischen Lehnwörter und Fach- und Pseudofachtermini beweisen:

Antirides
Spezialpflege gegen Fältchen und Falten [Subheadline]
Vichy
Premières rides [Key-Visual]
Fältchen-Creme [...] Faltencreme [...] Erste-Fältchen-Creme enthält Arara-Öl und Protein-Derivate [...] Faltencreme mit hochkonzentriertem Protein-Komplex und dem aufbauenden Spurenelement Silicium. [Bodycopy]
Vichy Laboratoires [Logo]
[Stern 1993: 2, 57. Produkt: Antirides Faltencremes]

[...] neue High-Tech-Cremes [Bodycopy]
[Stern 1993: 4, 125. Produkt: frei öl]

junocreme [...] aktivcreme
Fettreiche Spezial-Nährcreme. [Bodycopy]
[Stern 1953: 5, 19. Produkte: Kaloderma Cremes, Gesichtswasser und Seife]

Fette Mineral Haut-Creme [Logo-Slogan]
[...] mit Medizinischem Salz aus dem Toten Meer [Bodycopy]
[Stern 1993: 3, 119. Produkt: Fette Mineral Haut-Creme]

[...] den einzigartigen Wirkstoff "Biocel"- den nur Creme Tokalon enthält [...] [Bodycopy]
[Stern 1953: 4, 29. Produkt: Creme Tokalon]

[...] das darin enthaltene Euzerit [Bodycopy]
[Stern 1953: 5, 35. Produkt: Nivea Creme]

Der Vergleich des Hautcreme-Werbevokabulars 1953 und 1993 zeigt eine deutliche Zunahme an Fach- und Pseudofachtermini. Durch neue Wortbildungen wird ein Leseanreiz geschaffen, die Verwendung von Lehn- und Fremdwörtern läßt Rückschlüsse auf die Zielgruppe schließen. Es ist anzunehmen, daß die gebildete Frau mit guten Fremdsprachenkenntnissen, die nicht vor wissenschaftlichen Neuerungen zurückschreckt, sich von dieser Art kosmopolitischer Werbung angesprochen fühlt. Das Ausweichen auf Diminutiva und Fremdsprachen in der Produktbenennung kann als Schwäche bzw. Notlösung interpretiert werden, hat aber auch eine starke Reizwirkung. Das deutsche Wort Falten in Zusammenhang mit Haut hat negative Implikationen, weshalb auf die Diminutiva "Fältchen-Creme" und "Erste-Fältchen-Creme" ausgewichen wird. Die französischen Wörter rides bzw. antirides sind für deutsche Muttersprachler weitgehend wertfrei, da unbekannt. Die Angabe des Produktherstellers Vichy Laboratoires läßt z. B. international anerkannte, wissenschaftlich geprüfte Qualität erwarten.

Potentielle Konsumentinnen von Hautcremes wünschen sich Haut und Aussehen, wie in den Werbeanzeigen beschrieben:

glatt und frisch [...] schöngepflegt [...] erfrischte, geglättete, spannkräftige Haut [...] matt, pfirsichzart und für den ganzen Tag geschützt [...] jugendliches Aussehen [Bodycopy]
[Stern 1953: 4, 29. Produkt: Creme Tokalon]

jugendfrisch und elastisch [Bodycopy]
[Stern 1953: 5, 19. Produkte: Kaloderma Cremes, Gesichtswasser und Seife]

Werbung für Cremes stellt 1953 sowie 40 Jahre später einen relativ hohen Anteil am Werbeaufkommen dar. Damals wie heute sind die Werbeanzeigen informativ, jedoch auf verschiedene Weise. 1953 werden die Konsumentinnen über die korrekte Anwendung informiert und versprochen wird "jugendliches Aussehen, Hauterneuerung, Hautverschönung" (Stern 1953: 4, 29. Produkt: Creme Tokalon). 1993 steht die Information über wissenschaftliche Neuerungen im Mittelpunkt, was sich am Prozentsatz des Lehnwortschatzes sowie der Fach- und Pseudofachtermini in der Produktbeschreibung und -bezeichnung nachweisen läßt.


3.2.5. Die Frau als Hausfrau (Produkte: Margarine, Nähseide, Pflaster, Körperpuder (alle 1953))

Die moderne Familie steckt in der Krise bzw. befindet sich in Auflösung, was sich durch hohe Scheidungsraten und alternative Lebensformen in ganz Westeuropa manifestiert. Erwartungsgemäß stammen alle fünf Beispiele dieser Kategorie aus dem Jahre 1953. Die gute Hausfrau ist in den 50er Jahren:

sparsam und geschickt [Bodycopy]
[Stern 1953: 3, 30. Produkt: Gütermanns Nähseide]

[...] den ganzen Tag auf den Beinen [...]. [Bodycopy]
[Stern 1953: 5, 24. Produkt: Sanella Margarine]

Sie sorgt sich um die Ernährung ihrer Familie und wird - falls die Werbebotschaft erfolgreich ist - den Rat befolgen:

Streichen Sie darum Sanella täglich aufs Brot, geben Sie auch reichlich Sanella ans Essen, und Sie genießen Tag für Tag alle Vorzüge einer vollwertigen Nahrung. [Bodycopy]
[Stern 1953: 3, 20. Produkt: Sanella Margarine]

Für "Frau Saddeler, aus Brück, Am Gräfenhof", deren Zitat wiederum als Garantie für Qualität gelten soll, ebenso wie für uns Leserinnen und Leser

"[...] gehört Aktiv-Puder zu unserem Haushalt!" [Bodycopy]
[Stern 1953: 5, 34. Produkt: Klosterfrau Aktiv-Puder]

und alle haben

Irgendwo im Haus einen festen Platz für Hansaplast - am besten in der Hausapotheke. Und wenn Sie fortgehen - ein zweites Päckchen in die Handtasche. Sie werden dankbar an diesen Rat denken. [Bodycopy]
[Stern 1953: 2, 23. Produkt: Hansaplast Pflaster]

Der zweite Rat gilt ausschließlich für die Hausfrau und Mutter, denn nur sie als Frau besitzt traditionsgemäß eine Handtasche. Der Textteil ist in der Adressaten-Perspektive formuliert,. d. h. die Leserin kann den Rat unverändert für sich übernehmen.

Die potentielle Konsumentin wird in drei Fällen direkt angesprochen, davon zweimal in der Höflichkeitsform und einmal in der Headline freundschaftlich-familiär in der 2. Person Singular, um die Aufmerksamkeit der Leserin zu gewinnen:

Gewöhn' Dir's an! [Headline]
[Stern 1953: 2, 23. Produkt: Hansaplast Pflaster]

Die Du-Anrede findet sich relativ selten in Werbetexten und kann positiv oder negativ bewertet werden (vgl. Bechstein 1987:372)

Die Benutzung des Ausrufezeichens ist 1953 nicht ungewöhnlich und das Register der gesprochenen Sprache soll den Rat als besonders nett und freundschaftlich erscheinen lassen. Direkte Aufforderungen finden sich in modernen Werbetexten kaum, sie sind heute den Verbots- und Gebotsschildern vorbehalten.

Die ausgewählten Werbebotschaften für Haushaltsartikel kreieren das Bild der sparsamen, praktisch veranlagten, hart arbeitenden Hausfrau der Nachkriegsjahre. Hausfrauen stellen eine wichtige Zielgruppe dar, sie werden deshalb ernstgenommen und ihnen werden ernstgemeinte Ratschläge erteilt. Für Haushaltsartikel dieser Art wird heute nur selten und dann auch nur per Kleinanzeige in Fachzeitschriften geworben.


3.2.6. Die berufstätige Frau (Produkte: Hühneraugenpflaster, Creme, Aufputschmittel, Klebeband, Kondensmilch (1953), Telefon, Terminplaner, Personenkraftwagen, Sparkasse (1993))

Mit dem Bild der berufstätigen Frau wird für eine Vielzahl von Konsumgütern geworben. Zehn Anzeigenbeispiele gehen in die Analyse ein, darunter finden sich sechs Anzeigen von 1953. Vier Werbeanzeigen haben Catch-Visuals, die Frauen bei der Arbeit zeigen, wobei es sich um folgende typische Frauenberufe handelt: Schuhverkäuferin (Stern 1953: 4, 28. Produkt: Hühneraugenpflaster "Hühneraugen-Lebewohl"), Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft (Stern 1953: 1, 18. Produkt: Libby's Milch), Büroangestellte (Stern 1953: 2, 24. Produkt: "Tesafim" Klebeband), Sekretärin (Stern 1953: 3, 21. Produkt: "Halloo-Wach" Aufputschmittel). In den Kurztexten dieser vier Anzeigen wird nicht auf Frau und Beruf eingegangen und es finden sich keine Attribuierungen zur potentiellen Konsumentin. In zwei Werbeanzeigen für Hautcreme wird die Frau 1953 in Text und Bild explizit als berufstätige Frau dargestellt. Beide Werbeanzeigen für Nivea-Hautcreme stellen 1953 die berufstätige Frau in den Mittelpunkt, wobei einmal zwei Frauen und zwei Männer in geselligem Kreis (Stern 1953: 5, 35) und einmal zwei Sekretärinnen hinter ihren Schreibmaschinen (Stern 1953: 1, 23) gezeigt werden. Hier ist im Text explizit von Büroarbeit die Rede:

Man spricht von Nivea [Headline]
Wer..? Das junge Mädchen, ebenso wie die reife Frau, die im Beruf stehen, betonen immer wieder, daß sie die frische gesunde Hautfarbe trotz anstrengender Büroarbeit dem täglichen, regelmäßigen Gebrauch von Niveaverdanken. [Bodycopy]
[Stern 1953: 1, 23. Produkt: Nivea-Hautcreme]

Der Text der zweiten Nivea-Werbeanzeige ist allgemeiner gehalten, und sportliche und berufstätige Männer und Frauen werden als potentielle Zielgruppe angesprochen. Interessant ist hier das Nominalkompositum "Berufsarbeit", im Gegensatz zum Kompositum Hausarbeit. "Berufsarbeit" ist heute nicht mehr gebräuchlich.

Man spricht von Nivea [Headline]
Wann..? Wenn im kleinen, geselligen Kreis von Hautpflege die Rede ist, stellt man fest, daß Nivea-gepflegte Hände keinerlei Spuren von Sport oder Berufsarbeit aufweisen.
Wer..? Die jungen Damen, ebenso wie die Herren, geben deshalb Nivea den Vorzug, weil [...]. [Bodycopy]
[Stern 1953: 5, 35. Produkt: Nivea-Hautcreme]

Die moderne Werbeanzeige für Grundig Telefone, deren Werbetext in der Kategorie "Die schlanke Frau" analysiert wird, kann auch in diese Kategorie eingeordnet werden, wenn man die im Catch-Visual abgebildete Frau im Jackett als Karrierefrau interpretiert (Stern 1993: 2, 55). Aus der Schwarzweißfotografie geht jedoch nicht hervor, ob die Dame sich am Arbeitsplatz befindet oder zu Hause ist. Ähnlich verhält es sich mit der Anzeige für einen neuartigen Terminplaner. Die Schwarzweißfotografie läßt nicht erkennen, ob die Beschenkte ihre Berufswelt oder ihr Privatleben in Zukunft per Terminplaner organisieren wird. Die Tatsache, daß sie ein strenges Nadelstreifen-Jackett und kein Blümchenkleid trägt, kann auf ihre Berufstätigkeit hindeuten. Obwohl die deutsche Sprache kein adäquates Wort für diese amerikanische Erfindung bietet, greifen Hersteller und Werbetexter in der Produktbenennung auf das amerikanische Englisch zurück, was das Produkt besonders interessant erscheinen läßt:

Privacy - der Private Organizer von Time/system. Leben von den schönsten Seiten.[Logo-Slogan]
[Stern 1993: 3, 39. Produkt: Private Organizer Terminplaner]

Ist das Produkt erfolgreich, so darf davon ausgegangen werden, daß das Markenzeichen zum Gattungsnamen avanciert, wie das auf dem britischen Markt geschehen ist, wo Taschenkalender dieser Art unter dem Markenzeichen Filofax bekannt sind. Als Beispiele für den deutschen Markt können "Tempo" für alle Papiertaschentücher, "Uhu" für Flüssigklebstoff und "Tesafilm" für alle Arten von transparentem Filmklebestreifen genannt werden. Die hohe Marktakzeptanz dieser Erzeugnisse hat eine Integration ihrer Bezeichnungen in die Gemeinsprache bewirkt. Es ist in diesem Zusammenhang interessant zu wissen, daß alle drei Produkte seit 1953 auf dem Markt sind.

Der amerikanische Autohersteller Chrysler hofft ebenfalls auf die Reizwirkung der englischen Produktbenennung. In der Werbeanzeige wird die Geräumigkeit des neuesten Modells "Chrysler Voyager" betont, insbesondere auf Geschäftsreisen:

Dafür gibt es den Chrysler Voyager, in dem Sie selbst mit 6 Kollegen zusammen noch Ihre Individualität wahren und Geschäftsreisen nicht mehr so eng zu sehen brauchen. [Bodycopy]
[Stern 1993: 4, 69. Produkt: Chrysler Personenkraftwagen]

Aus dem Text geht nicht hervor, ob Kolleginnen mitgemeint sind. Die Farbfotografie zeigt eine Frau und einen Mann, die neben dem vor einem Hotel geparkten Wagen stehen. Bei genauerem Hinsehen kann davon ausgegangen werden, daß er am Steuer war, da er vor der Fahrertür steht. Sie wartet - in eleganter Kostümjacke - neben der Beifahrertür. Wieder bleibt es der Betrachterin/dem Betrachter überlassen, die abgebildete Frau in ihrer Rolle zu interpretieren.

Die einzige moderne Werbeanzeige, in der eine Frau am Arbeitsplatz gezeigt wird, ist die Werbung der Sparkasse. Die Bankkauffrau oder Devisenhändlerin wird im Gespräch mit zwei männlichen Kollegen gezeigt. Im Text wird nicht auf die weibliche(n) Sparkassenangestellte(n) eingegangen, sondern eindeutig frauenfeindlich die maskuline Berufsbezeichnung benutzt. Die potentiellen BankkundInnen werden höflich angesprochen, und ihnen wird folgender Rat erteilt:

Darum sollten Sie bei der Geldanlage nicht mit Optimisten und Pessimisten, sondern lieber mit Realisten zusammenarbeiten. Ihr Geldberater bei der Sparkasse ist ein Realist [...]. Er konzipiert Ihnen eine persönliche Anlagestrategie." [Bodycopy]
[Stern 1993: 4, 117. Sparkasse]

Der Unterschied zwischen dem Bild der berufstätigen Frau in der Werbung 1953 und in den Werbeanzeigen von 1993 ist offensichtlich: 1953 finden sich - in Bild und Text - explizite Darstellungen von berufstätigen Frauen, wobei es sich um typische Frauenberufe mit niedrigem Status handelt. 1993 sind Werbeanzeigen 'offen für Interpretation'. Positiv betrachtet kann man dies als Freiheit für die potentiellen KonsumentInnen interpretieren. Sie/er kann 'aktiv' werden und die Werbebotschaft nach Belieben deuten; in diesem Sinne kann von interaktiven Werbeanzeigen gesprochen werden. Negativ gesehen wollen Hersteller und Werbeagenturen sich nicht festlegen lassen und somit möglichen

Anschuldigungen durch den deutschen Werberat vorbeugen. Die Verbreitung von Werbebotschaften sexistischen oder rassistischen Inhalts ist in den letzten Jahren durch den deutschen Werberat, das Selbstdisziplinierungsorgan der deutschen Werbewirtschaft, wiederholt kritisiert worden. Als ein Beispiel hierfür darf die Werbekampagne des italienischen Strickmodenherstellers Benetton genannt werden, dessen Werbeplakate 1992 in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und den USA Proteste ausgelöst hatten.


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